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In wenigen Jahren soll im Rahmen des E-Health-Gesetzes die elektronische Gesundheitsakte (EGK) deutlich mehr Funktionen erhalten, unter anderem eine elektronische Patientenakte. Die Umsetzung läuft noch schleppend, gleichzeitig stößt das System in der Bevölkerung noch nicht auf ungeteilte Zustimmung, stattdessen herrscht Sorge bezüglich Sicherheit und Nutzen der neuen Funktionen der EGK. Hier lohnt ein Blick in die USA, dort existieren derartige Angebote schon seit einigen Jahren. Ein Forscherteam hat nun den Nutzen untersucht, mit zwiespältigem Ergebnis.

Sowohl Entlastung als auch Mehraufwand

In den USA sind Gesundheitszentren und Kliniken verpflichtet, über Patientenportale mit ihren Patienten zu kommunizieren. Noch wurde allerdings nicht untersucht, ob diese Art der Kommunikation Vor- oder Nachteile birgt. US-amerikanische Forscher wollten diese Erkenntnislücke schließen und befragten 20 Teilnehmer in Kliniken und Gesundheitszentren, darunter sowohl Ärzte und Schwestern als auch IT-Spezialisten. Die Studienteilnehmer sahen demnach zwar durchaus Vorteile in der Nutzung der Portale, gewichteten die Nachteile jedoch deutlich stärker.

Hinsichtlich der Verwaltungsprozesse könnten Portale die Mitarbeiter deutlich entlasten, so die einhellige Meinung der Teilnehmer. Beispielsweise könnten Termine und die Klärung einfacher Standardfragen auf dem Online-Weg vereinbart werden, was zu einem deutlich geringeren Telefonaufkommen und damit zu einer Zeitersparnis führe. Ärzte bewerteten insbesondere die Vermeidung von Doppeluntersuchungen und eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit als positiv.

Doch ein solches System kann nur funktionieren, wenn von allen Beteiligten genutzt wird. Genau hier ist der Haken. Besonders ältere oder weniger gebildete Patienten kamen oft zunächst nicht mit den Portalen zurecht und mussten geschult werden – was wiederum Mehrarbeit für das Klinik- und Praxispersonal bedeutete. Zudem sahen die Studienteilnehmer kritisch, dass Patienten mit den Daten und Befunden allein gelassen würden und diese oft nicht richtig einordnen und interpretieren könnten.

Allein die Vorbehalte des medizinischen Personals kann sich hemmend auf die Umsetzung und den Einsatz von elektronischen Akten und Portalen auswirken, dies zeigte die Untersuchung deutlich. Die Forscher empfehlen, dass in diesem Bereich weitere Studien durchgeführt werden sollten, wie Portale so eingeführt werden könnten, dass die Befürchtungen und Sorgen der Nutzer zerstreut werden. Die Studie wurde im Januar im Journal of Medical Internet Research (JMIR) veröffentlicht.

Die Technik nicht zu nutzen wäre ein Fehler

Die Studienergebnisse sind durchaus auf Deutschland übertragbar. Auch hier sind nicht alle älteren Patienten automatisch sogenannte „Silver Surfer“, die im Internet ebenso zuhause sind wie jüngere Menschen. Services, bei denen sie selbst aktiv werden müssen, also beispielsweise online einen Termin zu vereinbaren, können für viele ältere Menschen zu einem ausgewachsenen Problem werden.

Dagegen ist für sie besonders der Medikationsplan ein Gewinn. Gerade ältere, chronisch kranke Patienten nehmen pro Tag mehrere verschiedene Medikamente ein, die ihnen von ebenso vielen verschiedenen Ärzten verordnet wurden. Treten hier Wechselwirkungen auf, kann das zu gefährlichen Komplikationen führen. Diese soll der Medikationsplan im Vorfeld vermeiden: Jeder behandelnde Arzt hat Zugriff auf den Service, kann sehen, welche Medikamente der Patient bereits einnimmt und die Therapie daran anpassen.

Bleibt noch die Frage nach der Datensicherheit. So groß die Vorteile auch sind, Portale und andere Online-Angebote können Ziel von Cyberkriminalität sein: Alles, was mit dem Internet verbunden ist, kann gehackt werden. Damit elektronische Patientenakte und -Portale funktionieren und die erhofften Vorteile bringen, ist die Akzeptanz sowohl in der Ärzteschaft als auch von Patienten unerlässlich. Hier scheint es noch zu hapern. Das Thema polarisiert: Verfechter der Technologie stehen erbitterten Gegnern und ihren Befürchtungen entgegen. Wie so oft hat keine Seite uneingeschränkt recht. Elektronische Lösungen bringen Vorteile, diese werden jedoch mit einem gewissen Risiko erkauft. Eine neue Technologie deshalb nicht umzusetzen, wäre aber fahrlässig und rückwärtsgerichtet. Anstatt Energie unnötig in Grabenkämpfe zwischen den Lagern zu investieren, sollte sie in die Lösungsfindung gesteckt werden.