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Derzeit dreht sich alles um die entstehenden Kosten im Gesundheitswesen und dem Pflegesektor. Doch wie stellt sich eigentlich der Alltag in einem Pflegeheim für die Patienten dar? Für alte Menschen steigt aus verschiedenen Gründen das Risiko, sich bei Stürzen schwer zu verletzen. Um dieses Risiko zu verringern, werden Patienten in Pflegeheimen häufig mit Gurten und Bettgittern fixiert.

Der NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) setzt sich aktuell mit der Frage auseinander, welches Maß der Fixierung noch dem Schutz des Patienten dienlich ist und wo stattdessen unter Umständen die Grenze zur Freiheitsberaubung überschritten ist. Kutschaty wirbt insoweit für noch mehr Schulungen von Richtern, die nach dem geltenden Betreuungsrecht über eine Fixierung entscheiden. Schon im vergangenen Jahr ist die Zahl der Fixierungen in NRW wohl aufgrund der durch die Schulungen erworbenen vertieften Kenntnisse um etwa 40 Prozent zurückgegangen. Zuvor hatten sich im Zeitraum 2000 bis 2010 die richterlich erteilten Genehmigungen auf knapp 100.000 Fälle verdoppelt. Kutschaty hält die Schulungen damit als wirksames Mittel, um noch individuell korrektere Entscheidungen der Richter zu ermöglichen. Er will daher auch den anderen Bundesländern anbieten, ihre Richter an Schulungen in NRW teilnehmen zu lassen. Er weist zudem auf die sehr guten Alternativen zu Bettgittern und Bauchgurten hin, wie zum Beispiel herunter fahrbare Betten und spezielle Polster, die besonders sturzempfindliche Körperregionen schützen.

Eine Fixierung ist keinesfalls ausschließlich nach dem Ermessen des Pflegepersonals möglich. Vielmehr ist die Thematik schon jetzt ausführlich gesetzlich geregelt. Nunmehr sind jedenfalls in NRW stationäre Pflegeheime verpflichtet, Konzepte vorzulegen, wie auf Fixierungen verzichtet werden kann. Eugen Brysch, Vorstand der deutschen Stiftung Patientenschutz, erinnert an die Bedeutung der Grundrechte der Patienten. Man geht von einer Dunkelziffer von etwa 20 Prozent der Fälle aus, in denen eine Fixierung ohne die erforderliche richterliche Genehmigung erfolgt. In diesen Fällen solle eine Anzeige durch den Medizinischen Dienst der Kassen erfolgen, wenn dieser von einem solchen Fall Kenntnis erlangt. Die Thematik soll auch noch einmal einen wesentlichen Schwerpunkt der Herbstkonferenz der Justizminister bilden.

Berichte wie der des Münchenstift-Hauses St. Martin in Giesing zeigen, dass die Sensibilität der Thematik längst bundesweit bekannt ist. Dort konnten mit alternativen Methoden bereits hervorragende Ergebnisse bei der Patientenbetreuung erzielt werden. Einig ist man sich aber auch darüber, dass entsprechende „Sicherheitstechnik“ zum Wohle der pflegebedürftigen Heimbewohner viel Geld kostet. Oft müssen bei der Einführung alternativer Methoden zur Fixierung auch Angehörige überzeugt werden, die sich auf die Macht der Gewohnheit berufen und als Beispiel damit argumentieren, der Angehörige sei immer mit Bettgitter untergebracht gewesen.

Stürze sind oft nicht nur mit einem hohen gesundheitlichen Risiko für die Patienten verbunden. Pflegeheime sehen sich auch damit konfrontiert, im Falle eines folgenschweren Sturzes für die Behandlungskosten von der Krankenkasse zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Es ist also nachvollziehbar, dass das Bedürfnis nach einer Sicherung des Patienten einerseits und dem nach einer achtsamen Unterbringung andererseits eine Gradwanderung zwischen allen betroffenen Interessen ist. Den Investitionen der Pflegeheime werden nach unserer Einschätzung und Analyse der Stellungnahme Kutschatys also auch Aufklärungsprogramme vorausgehen.