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Das deutsche Gesundheitssystem ist im Vergleich der europäischen Gesundheitssysteme nur Mittelmaß. Dies ist jedenfalls die zentrale Aussage des Euro Health Consumer Index (EHCI), der vom schwedischen Unternehmen Health Consumer Powerhouse (HCP) veröffentlicht wird. Das Untersuchungsgremium in Stockholm untersucht seit 2005 die Gesundheitssysteme in Europa aus der Sicht der Patienten und bewertet dazu 34 europäische Gesundheitssysteme mit Hilfe von 42 Indikatoren. Das letztendliche  Scoring umfasst dabei fünf Bereiche bei einer maximalen Punktzahl von 1.000:

  1. Patientenrechte und -informationen
  2. Wartezeiten für Behandlungen
  3. Diagnosen, Vorsorge, Vielfalt
  4. Umfang der angebotenen Leistungen
  5. Pharmazeutika

Grundlage des Index sind öffentliche Statistiken, Patientenbefragungen und weiterere Untersuchungen durch das HCP.

In der aktuellen Veröffentlichung des Rankings erhielt Deutschland 704 Punte und fiel damit deutlich von Rang sechs (2009: 787) auf Rang 14 zurück. Damit liegt laut der Studie das deutsche Gesundheitssystem auf dem gleichem Niveau wie die Gesundheitssysteme von Tschechien und Irland. Der Spitzenklasse (Niederlande 872 , Dänemark 822, Island 799) hinkt Deutschland weit hinterher. Die Niederlande gewannen die 6. Auflage des Rankings sogar zum dritten mal in Folge und werden von den Autoren der Studie als Benchmark gefeiert. Profitiert haben die Niederlande von den 2006 angestoßenen Gesundheitsreformen.

Für das deutsche Gesundheitssystem fielen die Aussagen weitaus bescheidender aus. Insbesondere im Bereich der Behandlungsergebnisse und Qualität wird Deutschland als mittelmäßig bewertet. Ein Grund hierfür könnte dem Leiter der Erhebung, Arne  Björnberg, zufolge darin liegen, dass die Bundesrepublik über eine hohe Anzahl eher kleinerer allgemeiner Krankenhäuser verfüge, die nicht spezialisiert seien. Zudem läge der Fokus in der deutschen Gesundheitsversorgung eher auf der Quantität. Besonders sichtbar werde das bei der Mortalitätsrate nach Herzinfarktversorgung im Krankenhaus. Darüber hinaus erfolge die Einführung von E-Health nur schleppend.

Auf gesamteuropäischer Ebene weist der EHCI über den gesamten Erhebungszeitraum hinweg eine stetige Verbesserung der Gesundheitssysteme aus. Jedoch deutet der Index im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise auf drei Negativbereiche hin:

  • Es sind Tendenzen erkennbar, dass man in den Ländern, auf die sich die Wirtschaftskrise am stärksten ausgewirkt hat, länger auf teure Operationen warten muss.
  • Gesteigerte Selbstbeteiligungsraten für zahlreiche Behandlungen sind zu verzeichnen.
  • Teilweise verschlechtert sich der Zugang zu neuen Medikamenten.Trotz des hohen Wirtschaftsstandards bleibt in Europa das Problem der Krankenhausinfektionen bestehen. In jedem zweiten der 34 bewerteten Länder verzeichnet der EHCI beunruhigende Infektionsrisiken.

Ob eine Platzierung des deutschen Gesundheitssystems im Mittelfeld wirklich besorgniserregend ist – Deutschland sollte nach Meinung von Björnberg auf die Überwachungsliste der EU gesetzt werden –  ist fragwürdig. Denn Gesundheitssystemvergleiche, -rankings oder -benchmarkings gehören zum Standardrepertoire gesundheitspolitischer Diskussionen. Hinzu kommt, dass allein schon die Auswahl der Indikatoren und deren Gewichtung häufig zu deutlich unterschiedlichen Rangpositionen der Systeme führt. Daher sollte man das schlechte Ergebnis nicht überbewerten, jedoch in Anbetracht unseres teuren Gesundheitssystems als Denkanstoß verstehen. Vielleicht hilft hierbei auch ein vergleichender Blick in andere Länder.

[ilink url=“http://www.healthpowerhouse.com/files/Report-EHCI-2012.pdf“] Link zur Studie (EHCI)[/ilink]