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Kürzlich veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) das Quartalsergebnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Finanzreserven der GKV betrugen demnach Ende März 25,3 Mrd. Euro, Ende Dezember 2014 beliefen sie sich noch auf 28 Mrd. Euro. Im gleichen Zeitraum sank die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds von 12,5 auf 9,8 Mrd. Viel aufsehenerregender ist allerdings, dass sich ein Bruch in der Kassenlandschaft abzeichnet: Ein Großteil der Kassen wird immer ärmer, wenige dagegen reicher und reicher. Der absolute Gewinner ist das AOK-System.

Zur finanziellen Lage der Krankenkassen zeichnet der Abschluss ein deutliches Bild. Während die drei Kassenarten BKK, IKK und Ersatzkassen ein Defizit im dreistelligen Millionenbereich verkraften müssen, fährt das AOK-System Überschüsse ein. Diese summierten sich im ersten Quartal auf 36 Mio. Euro. Nur die Knappschaft konnte ebenfalls ein Plus von 17 Mio. verzeichnen. Der Trend des Vorjahres setzt sich damit deutlich fort. Die AOK schloss dieses mit einem Überschuss von 412 Mio. Euro ab, während die übrigen Kassen tiefrote Zahlen schrieben.

Wie fair ist der Morbi-RSA?

Woher kommt diese Differenz? Hier kommt der Finanzausgleich ins Spiel. Der sogenannte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) soll gewährleisten, dass den Kassen der GKV aus dem Gesundheitsfonds genug Gelder zugewiesen werden, um die Leistungsausgaben und die eigenen Kosten annähernd zu decken. Dabei erhalten Kassen mit ungünstiger Mitgliederstruktur, also Versicherten mit chronischen Leiden, durch den Morbi-RSA höhere Zuweisungen. Im Grunde genommen ein guter Ansatz, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und um zu verhindern, dass Kassen um junge, gutverdienende und gesunde Versicherte buhlen und Chroniker das Nachsehen haben.

In der jetzigen Form des Ausgleichs verfehlt der Morbi-RSA dieses Ziel allerdings, und das bereits seit Jahren. Dass es sich hierbei nicht um eine neue Entwicklung handelt, zeigen Daten aus 2010. Damals erhielten die AOKen  nach Berechnung des Morbi-RSA fast 40 Prozent des Gesamtetats aus dem Gesundheitsfonds zugewiesen, hatten dabei aber nur einen Versichertenanteil von 34,6 Prozent. Auch die Knappschaft zählte damals noch zu den Gewinnern. Bei einem Versichertenanteil von 2,4 Prozent erhielt sie 3,5 Prozent des Gesamtetats. Verlierer waren die großen Ersatzkassen wie die DAK und die Barmer GEK. Bei einem Versichertenanteil von 35,4 Prozent erhielten sie 2010 nur 35,4 Prozent des Gesamtetats. Ähnlich sah es bei den BKKen und IKKen aus.

Insgesamt erhielten Kassen mit vielen Mitgliedern in teuren Regionen (Bsp. Bayern) über die Jahre hinweg weniger Zuweisungen als andere Kassen, die Zahlungen für kranke Versicherte unter 55 Jahren lagen bis zu 50 Prozent unter den tatsächlichen Behandlungskosten, die für ältere Versicherte teils über den Deckungssätzen. Von diesen haben die AOKen besonders viele. Die Diskrepanz der Zuweisungen wird bereits seit längerem vom Bundesland Bayern kritisiert. Auch die Techniker Krankenkasse protestierte vor dem Bundessozialgericht gegen den Morbi-RSA.

Zeit, dass sich was dreht

Das Gericht entschied allerdings im Mai 2014, die Klage abzuweisen. Der Finanzausgleich verstoße in seiner aktuellen Form nicht gegen geltendes Recht. Das heißt: Der Morbi-RSA bleibt vorerst so, wie er ist. Die „Verlierer-Kassen“ werden also die schmelzenden Finanzreserven hinnehmen müssen. Früher oder später wird sich dies negativ auf die Mitglieder auswirken – durch steigende Zusatzbeiträge. Die erste Kasse, IKK Nord, musste diesen Weg bereits gehen. Auch wenn bisher die Zusatzbeiträge nicht zu einem massenhaften Wechsel von Versicherten führten, muss das nicht heißen, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird. Kleine Kassen könnten dann bei einer Erhöhung des Beitragssatzes von einem massenhaften Abwandern von Mitgliedern betroffen sein, was die finanzielle Lage weiter verschärft.

Wettbewerb zwischen den Kassen ist zwar vom Gesetzgeber gewollt, aber dieser sollte fair sein. Dafür müssen gleiche Voraussetzungen für alle Kassen geschaffen werden. Ein Wettlauf im Sport hat schließlich auch die gleiche Distanz für alle Teilnehmer. Die Bevorzugung der AOK durch den Morbi-RSA ist das genaue Gegenteil von fairem Wettbewerb. Es bleibt abzuwarten, ob das aktuelle System doch geändert wird, wenn die Kassen gemeinsam auf die Barrikaden gehen.