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Seit der Vorstellung der androidbasierten Datenbrille Glass durch den Internetkonzern Google im Jahr 2012 wird das Gerät kontrovers diskutiert. Insbesondere in Europa und vor allem in Deutschland wird Glass aufgrund von Datenschutz- und Privatsphäre-Bedenken kritisch gesehen. Schließlich könnten Nutzer damit theoretisch unbemerkt Videos oder Fotos von ihrem Gegenüber aufnehmen oder Informationen über die jeweilige Person im Internet abrufen. Dieser Gedanke behagt fast niemandem. Trotz einer Imagekampagne von Google mit speziellen Verhaltensregeln für Glass-Nutzer ist die allgemeine Zustimmung zu dem Gadget überschaubar.

Das könnte einer der Gründe sein, warum Google mit dem Gerät nun einen Vorstoß Richtung Gesundheitsbranche wagt. Das Unternehmen plant informierten Kreisen zufolge, im kommenden Jahr eine neue Version von Glass zu präsentieren, wie das „Wall Street Journal“ (WSJ) am 30. November berichtete. Diesem Bericht zufolge soll Intel künftig die Prozessoren für die Neuauflage von Glass liefern. Für Intel wäre dies ein erster Vorstoß in den Bereich „Wearable Devices“. Mit energiesparenden Prozessoren soll Glass künftig auch für den Gesundheitsmarkt und die Industrie interessanter werden. Bisher muss die Datenbrille täglich an die Ladestation, bei der Nutzung der Kamera für Fotos und Videoaufnahmen ist die Akkulaufzeit teilweise schon nach wenigen Stunden erschöpft. Geplant ist, das Gerät verstärkt bei Krankenhausnetzwerken und bei herstellenden Unternehmen zu vermarkten.

Die Möglichkeiten in diesen Bereichen sind vielfältig und befinden sich teils schon in der Testphase. Bei Operationen beispielsweise bietet Google Glass den Operateuren unbestreitbar Vorteile. Ärzte können während des Eingriffs die Vitalwerte ihrer Patienten buchstäblich „im Blick“ behalten und haben dennoch beide Hände frei zum operieren und müssen sich nicht für die Kontrolle der Monitore vom Patienten abwenden. Die Healthcare-Sparte des Technologiekonzerns Philips hat dafür bereits im Jahr 2013 eine Zusammenarbeit mit Accenture gestartet. Mit Google Glass sollen die Patient Monitoring Lösungen der Produktreihe IntelliVue Solutions verbunden und sprachgesteuert bedient werden können. Auch vor und nach Eingriffen könnten mit Google Glass die Daten und Werte der Patienten stets von den behandelnden Ärzten abgerufen und kontrolliert werden. Während Philips darauf hinweist, dass sich dieses Projekt noch im Anfangsstadium befindet, ist man andernorts schon etwas weiter. Im Juni 2014 wurde erstmals eine Operation von dem Spanischen Arzt Pedro Guillen live via Google Glass übertragen.

Auch außerhalb des Gesundheitsmarktes wird Google Glas in der Arbeitsumgebung bereits getestet, so zum Beispiel in der Qualitätssicherung eines BMW-Werks im US-Bundesstaat South Carolina. Die Mitarbeiter sind mit dem Gerät in der Lage, während der Tests sprachgesteuert Bilder oder Videos aufzunehmen und an die zuständigen Entwicklungsingenieure zu schicken anstatt wie bisher die Problembeschreibungen nur schriftlich festzuhalten. Das Unternehmen erhofft sich dadurch eine Zeitersparnis, da durch eine bildgestützte Fehlerbehandlung Rückfragen zwischen Ingenieuren und der Qualitätskontrolle reduziert werden sollen. Google selbst sieht Glass trotz alledem hauptsächlich als Gadget für technikaffine Privatpersonen. Dies wird besonders deutlich, wenn man betrachtet, dass von den 300 Projektmitarbeitern weniger als fünf Prozent am Projekt Glass at Work arbeiten. Wie WSJ berichtete, gaben Verantwortliche von Google und Intel bisher keine Stellungnahme zu den Plänen ab.

Die Erfahrung hat in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass technische Neuerungen wie zum Beispiel das Smartphone eine gewissen Zeit brauchten, um sich durchzusetzen. Mittlerweile sind die multifunktionalen Geräte nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken und zahlreiche weitere Entwicklungen und Innovationen folgten aus dieser Entwicklung. Daher ist anzunehmen, dass auch Google Glass trotz bisheriger Vorbehalte in Zukunft eine zunehmende Rolle in privaten und beruflichen Alltag spielen könnte.