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Die Diagnose ADHS und ADS wird mittlerweile oftmals als Erklärung genutzt, um auffälliges Verhalten und Schulversagen zu erklären. Oft ist dann Ritalin das Mittel der Wahl, um Kinder wieder auf die richtige Spur zu lenken. Doch für viele scheint der extreme Anstieg der Ritalin-Verordnungen und ADHS/ADS-Diagnosen nicht mehr allein durch natürliche Gründe erklärbar. So stieg die Zahl der ADHS-Diagnosen zwischen 1989 und 2001 um 381 Prozent, während zugleich nach Informationen der Techniker Krankenkassen im gleichen Zeitraum die Verordnungen von typischen ADHS-Medikamenten wie Ritalin um das neunfache stieg. Allein zwischen 2006 und 2011 stieg die Zahl der Diagnosen um weitere 42 Prozent. Laut dem Barmer GEK Arztreport 2013 waren 2011 760.000 Personen in Deutschland von der Diagnose ADHS betroffen. 558.000 davon männlichen Geschlechts. Den größten Anteil der ADHS-Erkrankten bzw. Diagnostizierten machen Kinder bis zum Alter von 19 Jahren aus. Hier sind 472.000 Jungen und 149.000 Mädchen betroffen. Dies entspricht einem Anteil von über 4 Prozent aller Kinder.

Die Pharmaindustrie kann eine solch enorme Zunahme der Diagnosen und Verordnungen nur recht sein. So wurden vor 20 Jahren in Deutschland nur 34 Kilo Ritalin konsumiert, währen es nun aktuell 1,8 Tonnen pro Jahr sind. Allein Novartis machte 2010 mit Ritalin weltweit einen Umsatz von 464 Mio. Euro. Daher kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei Arzneimitteln gegen ADHS/ADS um einen milliardenschweren Gesamtmarkt handelt.

Fraglich ist nur, warum die Patientenzahlen kontinuierlich steigen. Viele renommierte Experten sind sich einig, dass das Phänomen ADHS multifaktorielle Ursachen hat. Neben biologischen und genetischen Einflüssen haben aber auch die sozialen Umstände einen Einfluss auf die Diagnosehäufigkeit von ADHS. Aufgrund der von Kindesalter an geforderten Leistungsfähigkeit würden bestimmte Andersartigkeiten viel stärker auffallen. Aber auch viele Psychiater und Kinderärzte würden viel zu schnell die Diagnose ADHS stellen, so die Experten. Laut Ulrike Lehmkuhl, Direktorin der Kinderklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Charité, seien 90 Prozent aller ADHS-Diagnosen falsch. Viele Kinder seien einfach verhaltensgestört oder psychisch erkrankt und würde eine gänzlich andere Therapie benötigen.

Psychiater und Kinderärzte treffen viel zu oft ADHS-Diagnosen anhand von Faustregeln und sozialer Erwünschtheit nach Erleichterung des Alltags für Eltern und Kinder, anstatt sich an gültige Diagnosekriterien zu halten. Um dieser Behauptung auf den Grund zu gehen, befragte die Ruhr-Universität Bochum und die Universität Basel 1.000 Kinder- und Jugendpsychiater. Ihnen wurden jeweils vier fiktive Fallberichte vorgelegt anhand derer sie eine Diagnose stellen und eine mögliche Therapie vorschlagen sollten. Obwohl nur einer der Fallberichte nach geltenden Richtlinien eindeutig auf ADHS hinwies, stellten eine Vielzahl von Therapeuten die Falschdiagnose ADHS. Besonders bemerkenswert war, dass bei gleicher Krankheitsvorgeschichte jedoch unterschiedlichem Geschlecht der Kinder gänzlich unterschiedliche Diagnosen gestellt wurden. Trotz identischer Symptome erhalten Jungen viel häufiger die Diagnose ADHS gestellt als Mädchen. Auch hängt die Diagnosehäufigkeit vom Geschlecht des Therapeuten ab. So diagnostizieren männliche Therapeuten signifikant häufiger ADHS als weibliche Psychiater.

ADHS ist somit zur Modeerscheinung geworden. Selbst der Erfinder der Ritalin Therapie, der US-Nervenarzt Leon Eisenberg, gab im hohen Lebensalter zu, dass „ADHS ein Paradebeispiel für eine fabrizierte Erkrankung“ ist. „Die genetische Veranlagung von ADHS wird vollkommen überschätzt.“

Besonders problematisch ist jedoch, dass die Wirkung des Wirkstoffs Methylphenidat (Hauptbestandteil von Ritalin) auf das Gehirn noch nicht genau klar ist. Neben Angst- und Panikzuständen kann Ritalin auch zu vermindertem Wachstum führen. Ganz zu schweigen von den Einflüssen auf die nächste Generation. So sollen beispielsweise Krankheiten wie Parkinson mit der Gabe von Ritalin in Zusammenhang stehen.