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Krankenkassen dürfen eine Versorgung mit onkologischen, parenteralen Zubereitungen durch die preisgünstigste Apotheke sicherstellen und dafür Verträge mit entsprechenden Apotheken schließen. Patienten hätten kein rechtlich geschütztes Interesse an der Wahl einer bestimmten Apotheke. So entschied kürzlich das Bundessozialgericht und bestätigte damit einen Selektivvertrag der AOK Hessen. Verbände sehen Patientenrechte missachtet und die Versorgungsqualität gefährdet. Zu Recht?

Rabattvertrag hat Vorrang vor freier Apothekenwahl

Am 25. November entschied der dritte Senat des BSG in Kassel, dass Krankenkassen „zur Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven“ berechtigt seien, exklusive Verträge zur Versorgung mit Zytostatikazubereitungen mit einzelnen Apotheken zu schließen. Anlass war die Klage eines Apothekers. Dieser wurde von der AOK Hessen auf Null retaxiert, da er einen Onkologen mit Zytostatika belieferte, ohne an der entsprechenden Ausschreibung teilzunehmen. In erster Instanz hatte das Sozialgericht Darmstadt (SG) noch entschieden, dass Patienten das Recht zustehe, ihre Apotheke frei zu wählen.

In der Urteilsbegründung erklärte das BSG, dass auch heute schon Onkologen mit bestimmten Apotheken zusammenarbeiten und von diesen direkt beliefert werden. Die Patienten hätten hierauf in der Regel keinen Einfluss, Ausnahmen könne es nur in Einzelfällen geben, sofern Patienten besondere Gründe für die Wahl einer bestimmten Apotheke hätten und die Mehrkosten selbst tragen.

Dr. Klaus Peterseim, Chef des Verbands der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), bezeichnete das BSG-Urteil als vernichtend für alle betroffenen Apotheker und einen schweren Schlag gegen schwerstkranke Patienten. Diese, so Peterseim, „werden entmündigt und sollen künftig bei der Frage, wer sie in ihrer lebensbedrohlichen Lage versorgt, nichts mehr zu sagen haben“. Dies sei ein ökonomisches Diktat der Krankenkassen, mit verheerenden Folgen.

Gefährden Ausschreibungen die Versorgungsqualität?

In seiner Position als Verbandschef überrascht diese Aussage wenig, ob sie tatsächlich der Versorgungsrealität entspricht, steht auf einem anderen Blatt. Nur rund 300 Apotheken sind in der Lage und berechtigt, Zytostatika selbst herzustellen. Der überwiegende Teil der Apotheken wird von Herstellbetrieben beliefert, die auftragsbezogen die Arzneimittel individuell anmischen.

In diesen Fällen spielt es für Patienten keine Rolle, ob die Rezeptur in Apotheke A oder Apotheke B geliefert wird, Hauptsache die Qualität stimmt und kommt rechtzeitig beim Patienten an. Darüber hinaus ist es auch heute schon üblich, dass Onkologen mit bestimmten Apotheken zusammenarbeiten, ohne dass der Patient darauf einen Einfluss hat. Im Gegensatz zu Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich (besonders für Inkontinenzhilfen) ist nicht mit Einschränkungen der Produktqualität zu rechnen.

Dennoch werden Rufe nach einer politischen Lösung laut. Ausschreibungen im Bereich parenterale Zytostatika-Zubereitungen sollen komplett verboten werden. Die Politik sieht indes keinen Handlungsbedarf, vermutlich auch aufgrund niedriger Erfolgsaussichten eines solchen Vorhabens. Ausschreibungen sind im Sozialgesetzbuch ausdrücklich verankert. Die Kassen und Apotheken können durch die Vereinbarung von Mindestabnahmemengen Preisnachlässe realisieren. Im Gegenzug verpflichtet sich die Kasse, Zytostatika nicht bei anderen, nicht teilnehmenden Apotheken zu beziehen. Das geschätzte Sparpotenzial: Mehrere hundert Mio. Euro pro Jahr bundesweit.

 

 

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