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Neue Strategien, daran arbeiten Wissenschaftler, damit Diabetes-Patienten von der alltäglichen Spritze befreit werden können. Dabei ist die Darreichungsform für die Wirksamkeit des entsprechenden Arzneistoffs oder des Insulins von entscheidender Bedeutung, weil die Magensäure viele der Arzneistoffe, auch das von aussen zugeführte Insulin, das bei Gesunden in der Bauchspeicheldrüse in ausreichender Menge produziert wird, zerstört. Deshalb haben verschiedene Pharma-Forscher vier unterschiedliche Lösungsansätze parat: Im tierexperimentellen Anfangsstadium ist eine spezielle Kapsel mit Namen SOMA (Self-Orienting Millimeter-Scale Applicator) von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology, Kurz MIT, die der Form der afrikanischen Pantherschildkröte ähnelt. Sie sinkt im Magen nach unten, nachdem die Zucker-Umhüllung einer Stahlfeder von der Magensäure aufgelöst wurde. Die am Ende der Feder befestigte Spitze enthält gefriergetrocknetes Insulin. Die Spitze bohrt sich in die Magenschleimhaut und gibt das Insulin ab und von hier gelangt es ins Blut und kann seine Funktion ausüben. Die Kapsel sinkt im Magen auch immer so nach unten, dass die Spitze in die Schleimhaut piekst. Allerdings könnte die innovative Darreichungsform einen Haken haben. Bislang ist nicht ganz klar, ob die Magenschleimhaut sich von den vielen Einstichen erholt oder Schaden nimmt. Der zweite Lösungsansatz von Schweizer Forschern ist ein komplett anderer. Dieser regenerative Ansatz funktioniert nur bei Diabetikern vom Typ 1, also der angeborenen Form des Diabetes, einer Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem gegen die Insulin-produzierenden Beta-Zellen des Pankreas vorgeht. Hier bedient man sich eines Tricks. In den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse existieren verschiedene Zelltypen wie auch Alpha-Zellen, die zwar kein Insulin produzieren, die aber die Funktion von alten Beta-Zellen durch Klumpenbildung, sogenannten Pseudoinseln, übernehmen könnten. Sogenannte Insulin-Transkriptionsfaktoren (Proteine), worüber die Alpha-Zellen auch verfügen, sind zudem notwendig, dass die Produktion von Insulin aktiviert wird. In Experimenten an Mäusen ist der Ansatz gut gelungen, es folgen jetzt klinische Studien mit Menschen. In klinischen Prüfungen der Phase II befindet sich eine Kapsel, die mit Hilfe von Zusatzstoffen magensäureresistent gemacht wurde und sich auch im Darm erst gezielt auflöst. Gleichzeitig wird die Aufnahme des Insulins über die Darmschleimhaut erleichtert. Am weitesten fortgeschritten ist Ansatz vier. Dieser Lösungsansatz befindet sich in Phase III der klinischen Prüfung, kurz vor dem Zulassungsantrag. In Tablettenform werden hier Peptide, kurzkettige Proteinstücke, sogenannte GLP-1-Analoga, eingenommen. Das Hormon wird normalerweise in der Darmschleimhaut von Gesunden gebildet. Wird zuckerhaltige Nahrung aufgenommen, bewirken die GLP-1-Analoga zusammen mit einem anderen Hormon, GIP (Glukoseabhängiges insulintropes Peptid), dass Insulin aus dem Pankreas ins Blut gelangt und den Blutzuckerspiegel auf ein normales Maß senkt. Die Zulassung in der EU und in den USA könnte schon im ersten Halbjahr dieses Jahres per Antrag eingereicht werden. 

Quelle: www.vfa-bio.de