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Patientenorganisationen werden von der Pharmaindustrie mit üppigen Zuwendungen bedacht. Expertenkritiker gehen dabei nicht ausschließlich von ehrenvollen Motiven der Pharmakonzerne aus. Der Pharmariese Boehringer Ingelheim hat zum Beispiel 70.000 Euro an die „European Patients‘ Academy“ (Eupati) gespendet, 76.000 Euro an die „European AIDS Treatment Group“ und 80.000 Euro an die „European Liver Patients Association“. Dabei ist anzumerken, dass es sich hierbei ausschließlich um Zuwendungen an Organisationen mit Sitz in Brüssel handelte. Der Selbsthilfe-Experte  Jörg Schaaber, Mitherausgeber der Zeitschrift „Gute Pillen – Schlechte Pillen“, hält diese Organisationen für Vereinigungen im Zeichen des Lobbyismus: Seiner Meinung nach würden die europäischen Verbände ohne die Hilfe der Pharmaindustrie gar nicht existieren. Zwar hat sich die Pharmaindustrie seit dem Jahr 2008 dazu verpflichtet, ihre Spenden offenzulegen, meist sind dazu aber immer noch aufwendige Recherchen notwendig. Deshalb hat in den Jahren 2010 und 2011 eine private Initiative zweier Medizinberater die Spenden in dieser Zeit ausgewertet. Für das Jahr 2013 haben DER SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE alle 1364 veröffentlichten Einzelspenden der Industrie in eine öffentliche Datenbank übertragen. Insgesamt geht es um Zuwendungen in der Größenordnung von 5,6 Mio. Euro. Ganz weit vorne steht dabei die „Europäische Patientenakademie für therapeutische Innovationen“ (Eupati). Sie wird von Boehringer Ingelheim und 13 weiteren Konzernen sowie auch vom Berliner Lobbyverband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) unterstützt. Der Geschäftsführer von Eupati Jan Geissler setzt sich offensiv für die Motive von Eupati ein. Patienten sollen über die Entwicklung neuer Arzneimittel informiert werden. In diesem Zusammenhang sollen Erkrante zu sog. „Patientenexperten“ ausgebildet werden und als Fürsprecher und Berater gegenüber Zulassungsbehörden und Ethikkommissionen auftreten.

Das Eupati-Budgets von 10,1 Millionen Euro kommt direkt vom Verband der Europäischen Pharmaindustrie (EFPIA) und setzt sich zusammen aus 1,8 Millionen Euro als Geld- und rund drei Millionen Euro  Sachleistungen. So arbeiten zum Beispiel Mitarbeiter von Pharmaunternehmen für Eupati. Schaber wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, „wie viel Patient daher noch in einer Patientenorganisation drinstecke. Eupati legt Wert auf Unabhängigkeit von der Pharmabranche. So setzt sich ihr Beirat auch aus Vertretern unabhängiger Wissenschaftseinrichtungen und Vertretern von Zulassungsbehörden zusammen. Dennoch hegt die Hamburger Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser, die als Gutachterin der EU-Kommission für Eupati tätig war, Zweifel daran, dass die Informationen, die Patienten zur Verfügung gestellt werden, wirklich unabhängig und evidenzbasiert sind. Das Sponsoring trage zum Absatz der Produkte und zur Imagepflege bei. Patienten seien oft nicht in der Lage,  Nutzen und Risiken abzuwägen und zu bewerten.“

Kommentar: Man könnte die Frage aufwerfen, ob sich die Spenden der Pharmaindustrie zugunsten der Patientenorganisationen im Verhältnis anders verhalten als die Spenden in anderen Wirtschaftszweigen. Der Sponsor ist wohl immer darauf bedacht, durch sein wohltätiges Handeln auch in einem gewissen Umfang seine Produkte und deren Vorteile – vorsichtig ausgedrückt – nach außen zu kommunizieren. Unter Umständen bedarf es noch weiterer Analysen, inwieweit gerade das Sponsoring der Pharmabranche kritisch zu betrachten ist. Es wäre interessant, aussagekräftig und repräsentativ auszuwerten, wie die involvierten Patienten selbst die Situation einschätzen und wie sehr sie sich tatsächlich auch beeinflusst fühlen.  

[ilink url=“http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/spenden-der-pharmaindustrie-die-fuersorgliche-belagerung-der-patienten-a-971238.html“] Link zur Quelle (spiegel)[/ilink]