Seite wählen

Die Zahl der medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die von Investorengruppen übernommen wurden, wächst seit 2004 stetig. Grund ist eine Gesetzesänderung von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), wonach Praxis-InhaberInnen keine medizinische Ausbildung als Ärztin oder Arzt haben müssen. Beliebt sind vor allem die Augenheilkunde, die Zahnmedizin und die Radiologie. Hier werden besonders gerne Praxen von privaten Investoren aufgekauft, bei denen anscheinend der Profit und das Renditestreben größer sind als der medizinische Bedarf einzelner PatientInnen. Die Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland sind inzwischen mit Abrechnungsbetrug und unnötig ausgeführten Operationen beschäftigt.  Einrichtungen dieser Art ignorieren sehr häufig den Wunsch der PatientInnen nach Kassenleistungen, anstelle von privat gezahlten Leistungen, die sehr viel teurer sind, wie das Beispiel von Johanna Klengel zeigt: Die Rentnerin hatte einen grauen Star und sollte für 3.600 Euro mit einer Laser-OP behandelt werden, anstelle einer konventionellen Operationsmethode für 1.000 Euro. Der Verdacht stand auch hier im Raum, dass wirtschaftliche Interessen im Fokus der eigentlich hätte behandelnden Augenklinik lagen, denn herkömmliche Methoden sind gleich gut zu bewerten. Der Fall eines Mannes, der anonym bleiben möchte, ist noch skurriler. Ermittlungen mit „Abrechnungsbetrug in Tateinheit mit Körperverletzung“ laufen gegen ein MVZ, welches dem Mann gedroht hat, ein Fahrverbot auszusprechen, wenn er nicht in die Laser-OP an beiden Augen einwilligt, obwohl er sich erst einmal nur Bedenkzeit erbeten hat. Da ÄrztInnen aber keine Fahrverbote mit rechtlicher Wirkung aussprechen dürfen, liegt der Verdacht nahe, dass PatientInnen durch Angstmachen zu lukrativen OP gedrängt werden sollen. Auffangbecken für viele günstigere Operationen sind mittlerweile kommunale Krankenhäuser, weil wenig lukrative Behandlungen von einigen MVZ abgelehnt werden (keine Terminvergabe) oder längere Wartezeiten einkalkuliert werden müssen. Die Krankenhausreform der Ampelkoalition verschärft die Situation zudem, erklärt Klinikleiterin einer kommunalen Einrichtung, Erika Raab. Durch die wachsende Zahl der MVZ, die durch Investoren finanziert werden, merken PatientInnen wie Johanna Klengel, dass ärztlicher Rat immer häufiger zu hinterfragen ist.  

Quelle: tagesschau.de