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In Baden-Württemberg hat am 1. Juli 2021 ein zweijähriges Interventionsprogramm begonnen, das Risikopatienten, die für eine Beatmungsentwöhnung (Weaning) nach Langzeitbeatmung infolge einer Intubation in Frage kommen könnten, identifiziert. Franziska Trudzinski, Expertin für Pneumologie und Intensivmedizin an der Thoraxklinik in Heidelberg, verantwortet das Projekt. Sie macht das Vergütungssystem mit Fehlanreizen im deutschen Gesundheitssystem dafür verantwortlich, dass so viele langzeitbeatmete Patienten unter klinischer und vor allem außerklinischer Intensivpflege in der Vergangenheit nicht entwöhnt werden konnten.  

Bei den tracheotomierten Patienten sei demnach noch immer ein rasanter Anstieg zu beobachten, deshalb müsse auch in Fällen von Risikopatienten gezielter interveniert werden. Das Studien-Projekt PRiVENT kann dies möglich machen, denn es identifiziert jene betroffenen Patienten, die die Entwöhnung mit Hilfe der Unterstützung von interprofessionellen Teams der zertifizierten Weaningzentren mitmachen könnten, erklärt Trudzinski.  

Waren es 2005 nur 5.000 Fälle in ambulanter Versorgung, so sind es momentan schon geschätzte 20.000. Auch in stationärer Behandlung würden sich heutzutage 86.000 Patienten befinden, während sich vor zehn Jahren nur knapp ein Drittel (25.000) in Kliniken befunden hätten.  

Das Weaningpotenzial, so die Fachfrau, müsse in zertifizierten Weaningzentren geprüft werden, denn die Analyse von 11.424 Patienten ergab, dass bei zwei von drei Intensivpatienten eine Entwöhnungs-Interventionsmaßnahme möglich und sinnvoll wäre. Im außerklinischen Bereich könnte man schon auf diese Weise vier Milliarden Kosten einsparen, denn Langzeitbeatmung ist teuer. Trudzinski gibt in einem Interview allerdings zu, dass bestimmte Risikofaktoren, wie ein zu niedriger BMI, eine länger währende Beatmungsdauer, neuromuskuläre Erkrankungen und ein hohes Alter die spezialisierte Beatmungsentwöhnung erschweren oder gar unmöglich machen.  

Deshalb gibt es das PRiVENT-Projekt, um in 40 Kooperationskliniken in Baden-Württemberg mit Intensivbetreuung Patienten in den Fokus zu nehmen. 4.000 haben demnach ein hohes Risiko für eine Langzeitbeatmung. Durch Abschätzung des individuellen Risikos ist es aber möglich, einen präventiven Ansatz zu finden, damit Pneumologen, Atmungstherapeuten und Intensivmediziner in sogenannten Weaningsboards und – konsilen das Weaningpotenzial ermitteln und somit auch Kosten senken können. 

Das aQua-Institut in Göttingen hilft auch durch Zusammenarbeit, indem es für das baden-württembergische Projekt an der Klinik Löwenstein, Klinik Schillerhöhe, am Uniklinikum Heidelberg und an den Waldburg-Zeil Akutkliniken 8.000 Abrechnungsdaten von stationären Patienten bzw. potenziellen Teilnehmern liefert. Von den letztlich 4.000 involvierten Patienten sind demnach 1.495 risikobehaftet, wie die Studie bis zum jetzigen Zeitpunkt ergab.   

Quelle: www.aerzteblatt.de