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Die Blutvergiftung, auch medizinisch Sepsis genannt, ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland, an der immer noch pro Jahr 70.000 Menschen nur in Deutschland sterben. Die Sterblichkeit nach Krankenhauseinweisungen liegt hierzulande bei 42 Prozent und damit höher als in anderen entwickelten Ländern, weil viele Ärzte eine Sepsis nicht als solche erkennen oder zu spät diagnostizieren. Ärzte sprechen deshalb von der „goldenen Stunde“, um eine Blutvergiftung frühzeitig zu erkennen und dann mit Antibiotika zu therapieren, die, wenn sie innerhalb einer Stunde nach Auftreten der Symptome gegeben werden, eine 80-prozentige Überlebenschance sichern. Danach fällt sie rasch und nach fünf Stunden liegen die Chancen zum Überleben nur noch bei 42 Prozent. Ursache einer Sepsis ist eine vorangegangene Infektion mit Erregern, auch ausgelöst durch Operationen in Krankenhäusern. Experten glauben, dass die Zahl der Todesfälle sich sogar noch erhöht, würden Diagnosen wie Lungenentzündungen, die tödlich verlaufen und fast immer von einer Sepsis begleitet werden, noch zur Sterblichkeitsrate hinzugezogen. Eine Sepsis führt unbehandelt zu Organversagen mit Blutdruckabfall, dann zum Schock und ins Koma und schließlich zum Tod. Über Langzeitschäden nach Überleben einer Sepsis gibt es auch keine Statistik. Haben Patienten nur zwei der fünf Symptome wie Fieber/Schüttelfrost, Verwirrtheit, schnelle Atmung, extremes Krankheitsgefühl sowie verfärbte Arme und Beine ist Eile geboten und die 112 zu rufen. Die Krankheit muss genauso eingestuft werden wie ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall, also ist ein absoluter Notfall. Die Sepsis ist von außen nämlich nicht sichtbar, auch nicht durch einen roten Strich auf der Haut. Dieser sagt nur aus, wenn er auftritt, dass der Patient eine Entzündung der Lymphbahn hat. Die Uniklinik Greifswald schult mittlerweile ihre Mitarbeiter auf Verdachtsfälle, um nichts zu übersehen. Blutkulturen müssen auch sofort angelegt werden, um die Antibiotika-Therapie auf bestimmte Bakterienstämme maßzuschneidern. Doch auch hier gibt es in Deutschland Defizite, weil Labore oft nachts und am Wochenende geschlossen sind. Auch braucht eine Bakterienkultur oft Zeit zu wachsen, die Notfälle, wie eine Sepsis, nicht abwarten können. Lokale Infektionen sind deshalb früh zu behandeln und im Notfall fachmedizinisch abzuklären, wie der Fall von Michael Zimmermann zeigt, der durch eine Infektion nach einer Routine-OP am Leistenbruch beide Unterschenkel und alle Fingerkuppen verlor und zudem blind wurde. Die Sepsis wurde von mehreren Ärzten nicht erkannt. Heute klagt der Mann aus Süddeutschland in der Nähe von Freiburg gegen die Behandlungsfehler. Dies ist jedoch schwierig, da er nachzuweisen hat, dass bei der Leisten-OP Erreger in sein Blut-oder Lymphysytem gelangt sind. Doch Zimmermann geht es eigentlich um etwas ganz anderes. Er möchte Risiken und mögliche Missstände aufdecken, damit weitere Fälle von Sepsis vermieden werden können. Die Aufklärung der deutschen Bevölkerung, die wenig über die schwere Erkrankung weiß, rettet Leben und ist ein großes Defizit in unserer Gesellschaft. 

Spiegel.de