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Ambulant vor stationär, dieses Prinzip für die Pflege ist gesetzlich in § 3 SGB XI festgehalten. Der Branchenverband Spectaris und der Deutsche Pflegeverband (DPV) haben die Auswirkungen dieses Grundsatzes bemängelt. Anlässlich der im März in Hannover stattfindenden Messe Altenpflege haben die Verbände gemeinsam ein Positionspapier veröffentlicht. Das Image und die Situation der stationären Pflege stehe hinter der ambulanten Pflege zurück. Dies bedürfe einer dringenden Veränderung.

„Keine Pflegeform darf einer anderen undifferenziert vorgezogen werden, wie es die Politik seit Jahren gerne mit der ambulanten Pflege propagiert“, meinte Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbandes Medizintechnik bei Spectaris. So würde eine stationäre Pflege oft gleichgesetzt mit einem Abschieben aus dem gewohnten Umfeld. „Die Vermutung der Gesellschaft ist häufig, dass die zu pflegende Person von den Angehörigen als Belastung empfunden wird und sie sich ihrer Verantwortung entziehen“, heißt es im Papier. Dabei sei es wichtig, dem Pflegebedürftigen wie auch den Angehörigen die Entscheidung für die Pflegeform unvoreingenommen zu überlassen. Auch finanzielle Aspekte sollten keine Rolle spielen.

„Eine vollumfängliche Pflege allein durch Angehörige zu Hause wird schon aufgrund der demografischen Entwicklung und Multimorbidität nicht mehr überall möglich sein“, so Kuhlmann. Den zusätzlichen Bedarf durch privat oder ehrenamtlich tätige Personen zu decken, sei zukünftig nicht mehr möglich. Bis 2030 werden laut Thesenpapier 157.000 zusätzliche Pflegefachkräfte benötigt. Die bisher eingeleiteten Maßnahmen seien positiv, aber nicht ausreichend. Um ein hohes Qualitätsniveau in der Pflege zu sichern, muss die stationäre Pflege gleichberechtigt neben der ambulanten stehen. Außerdem müssen Investitionen in die Pflegeausbildung und in die Einrichtungsausstattung getätigt werden. Momentan fehlen der Pflege jährlich geschätzt 4,5 Mrd. Euro. Das Zusammenlegen der Ausbildungen in der Alten-, der Kranken- und der Kinderkrankenpflege in Form des neuen Pflegeberufegesetzes sei ein wichtiger erster Schritt. „Der Anfang ist gemacht“, so Rolf Höfert, Geschäftsführer des DPV. „Nun geht es darum, kontinuierlich das in der Vergangenheit von der Politik stark vernachlässigte Thema Pflege wieder gesund zu pflegen.“

 Kommentar: Gegen das neue Pflegeberufegesetz hat die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens Einspruch eingelegt. Ein unabhängiges Gutachten der Verwaltungsrechtskanzlei Kapellmann bezeichnete den Entwurf als verfassungswidrig. Problematisch sei beispielsweise die Entscheidung zur Finanzierung über Länderfonds – dazu fehle dem Bund die rechtliche Grundlage. Auch die Kostenverteilung zwischen ambulanten und stationären Einrichtung dürfe sich nur nach der Höhe des wirklichen Nutzens richten. „Grundsätzlich ist eine Reform der Pflegeausbildung sinnvoll, aber was der Bund hier im Eiltempo durchsetzen will, ist grob fahrlässig“, meinte Steffens. „Ein Gesetz mit so vielen gravierenden Fehlern und so hohen Risiken wäre ein schwerer Rückschlag für die Pflege in Deutschland.“

[ilink url=“http://www.spectaris.de/verband/presse/artikel/seite/spectaris-und-deutscher-pflegeverband-fordern-gleichberechtigung-fuer-vollstationaere-pflege.html“] Link zur Quelle (Spectaris)[/ilink]