Seite wählen

Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage würden sich drei Viertel der Patienten vor einer planbaren Operation die Meinung eines zweiten Mediziners einholen. Dabei spielt bei einem Großteil der Befragten die Angst vor unnötiger Behandlung eine Rolle. Das im Sommer verabschiedete Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) hat sich dieser Problematik bereits angenommen: Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, den Patienten zehn Tage vor der Operation über sein Recht auf eine Zweitmeinung aufzuklären.

1.000 gesetzlich Krankenversicherte wurden vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts für Qualität und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG) der Techniker Krankenkasse (TK) befragt. 74 Prozent der Teilnehmer gaben an, sich eine Zweitmeinung vor einer Operation einholen zu wollen. 85 Prozent würden gerne über mögliche negative Auswirkungen von zu viel Behandlung informiert werden. 27 Prozent haben manchmal oder häufig den Eindruck, der Arzt würde eine unnötige Behandlung oder Untersuchung empfehlen. Ein Drittel meinte jedoch, trotz dieser Bedenken der Empfehlung des Mediziners zu folgen.

„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass in Sachen Überversorgung ein Problembewusstsein besteht“, meint der Leiter des WINEG Frank Verheyen. Bereits 2010 hatte die TK ein Modellprojekt zu dieser Thematik gestartet. Unter dem Namen „Zweitmeinung vor Wirbelsäulenoperationen“ wurde herausgestellt, dass vier von fünf Rückenoperationen nicht notwendig sind. 89 Prozent der 1.900 Patienten, die bisher am Projekt teilgenommen haben, mussten trotz erster Empfehlung nicht operiert werden. Die gesetzliche Regelung zur Zweitmeinung ist für die Patienten daher positiv zu bewerten. „Ihnen bleiben Klinikaufenthalte und Operationsrisiken wie Nerven- und Gefäßschädigungen oder Narbenprobleme und Verwachsungen erspart“, so Verheyen.

 Kommentar: Laut Institute of Medicine werden 30 Prozent aller medizinischen Ausgaben vergeudet und bringen dem Patienten keine Vorteile. Daher wurde im Jahr 2012 in den USA die Kampagne „choosing wisely“ gestartet. Für das Projekt sollten die medizinischen Fachgesellschaften Vorschläge gegen die bestehende Überversorgung erarbeiten. Erstellt wurden auch Top-5-Listen von verzichtbaren Diagnosen, Behandlungen und Verordnungen für die jeweilige Disziplin. Voraussetzung für die Empfehlungen: Hinter jeder Aussage muss ein wissenschaftlich abgesichertes Statement stehen.

Das Prinzip der klugen Entscheidung wurde Anfang 2015 in Deutschland von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) aufgegriffen. Die gestartete Initiative fordert die elf medizinischen Schwerpunktgesellschaften auf, ebenfalls fünf Maßnahmen zu benennen, die häufig eher schädlich als nützlich sind. Der zukünftige DGIM-Vorsitzende Prof. Dr. Gerd Hasenfuß beispielsweise meint, dass in Deutschland zu viele Koronarstents eingesetzt werden. Weitere Punkte der Überversorgung werden unter anderem in der Antibiotikagabe bei akuter Bronchitis oder der zielgerichteten Krebstherapie ohne vorherigen Gentest mit Nachweis der Mutation gesehen.

[ilink url=“http://www.tk.de/tk/pressemitteilungen/gesundheit-und-service/773104″] Link zur Quelle (Techniker Krankenkasse)[/ilink]