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Aus aktuellen Anlässen war es zuletzt immer wieder interessant, einen Blick auf die Nachbarländer Deutschlands und deren Gesundheitspolitik zu werfen. Ob Vergütungssystem der niedergelassenen Ärzte in Frankreich, Krankenhausbudgetierung in Spanien oder Zukunft der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung in der Schweiz, die Gesundheitspolitik scheint für alle europäischen Länder ein brisanter Themenbereich zu sein.

Wie stellt sich die Situation für die Versicherten dar? Immer wieder wurde zuletzt darauf hingewiesen, dass die Qualität der medizinischen Versorgung noch verbessert werden kann und muss. Dazu hat sich zumindest Deutschland entschlossen. Wie sieht es bei unseren EU-Nachbarn aus? Jeder EU-Mitgliedsstaat hat seine eigenen gesetzlichen Vorschriften einzuhalten, wenn es um die Gesundheitsversorgung geht. Anlass genug der Frage nachzugehen, wie insoweit ein EU-weit gleichwertiges Qualitätsniveau erzielt werden kann.

Dies haben auch die Teilnehmer des ersten Internationalen Hausärztetages in Bonn als diskussionswürdig erkannt. Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, wies darauf hin, dass die Gestaltung des Gesundheitswesens in der Europäischen Union Sache der Mitgliedsstaaten sei, da sie regional angepasst werden müsse. Andererseits gäbe es durchaus Themen, die in der EU einheitlich geregelt werden sollten. So zum Beispiel die Arzneimittel-Zulassungen und auch die Vereinheitlichung von Mindeststandards bei der Gesundheitsversorgung, da es nicht davon abhängen dürfe, in welchem EU-Land sich ein Patient befindet.

Für Portugal meldete sich der  Allgemeinmediziner Dr. Tiago Villanueva Marques zu Wort. Aktuell sei zu beobachten, dass immer mehr Patienten vom öffentlichen System zu privaten Behandlern abwandern, wenn sie es sich leisten können. Grund seien extrem lange Wartezeiten auf Termine und Behandlungen, die die Patienten nicht in Kauf nehmen können oder wollen. Auch Ärzte wandern in das private System ab, da sie Gehaltskürzungen und insgesamt verschlechterte Arbeitsbedingungen hinnehmen mussten. Marques hält diese zunehmende Privatisierung im Gesundheitssystem für ein Risiko. Die dort ungesteuerte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen berge für die Patienten das Risiko unnötiger Behandlungen und überflüssiger diagnostischer Maßnahmen. Seiner Einschätzung nach werden viele Mediziner Portugal verlassen. Noch sei aber die medizinische Versorgung der portugiesischen Bevölkerung nicht gefährdet. Ähnlich wie in Deutschland bestehe aber ein Mangel an Hausärzten.

In Deutschland standen zuletzt einige Qualitätssicherungsmaßnahmen zur Diskussion: So existiert der Pflege-TÜV, dessen Aussagekraft zu überdenken und unter Umständen dessen Fragenkatalog zu optimieren ist. So wird gewünscht, die Tätigkeiten der medizinischen Leistungserbringer in Zukunft noch ausführlicher zu dokumentieren.

EU-weite Vereinheitlichungen spielen nicht nur im Gesundheitswesen eine Rolle. Vielmehr ist der gesamte Wirtschaftssektor davon betroffen. Hier konnten bereits gute Ergebnisse, z.B. im Bereich der Sicherheit, erzielt werden. Den teilnehmenden Medizinern des Internationalen Hausärztetages ist Recht zu geben, wenn sie sich für eine europaweit einheitlich gewährleistete Qualität der medizinischen Leistungen im Sinne der Sicherheit der Patienten aussprechen. Fraglich ist nur, ob dafür in allen europäischen Ländern genug finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Und nicht zuletzt darf ein solcher Fokus nicht durch zuviel Bürokratie überstrapaziert werden.