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Die Zeit der Überschüsse bei den gesetzlichen Krankenkassen scheint endgültig der Vergangenheit anzugehören. Nachdem im ersten Quartal dieses Jahres bereits Ersatz-, Innungs- und Betriebskrankenkassen Defizite gemeldet hatten, sind bis Ende Juni auch die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit 110 Millionen Euro ins Minus gerutscht. Dass die Kassenlandschaft auf den rasanten Ausgabenanstieg mit Sparmaßnahmen im Hilfsmittelsektor reagiert, spüren derzeit bereits viele Marktteilnehmer in der Versorgung mit ableitenden Inkontinenzprodukten. Doch wie verhalten sich Hilfsmittelhersteller und Fachhändler angesichts drohender Erstattungsrückgänge?

Sicherlich werden Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Händlern bei zu erwartenden fallenden Margen neu geführt werden müssen. Wahrscheinlich ist zudem, dass Fachhändler bei bestimmten Hilfsmitteln günstige Alternativen aus dem Ausland in Betracht ziehen und versuchen werden, den Kassendruck an Hersteller weiterzuleiten. Doch insbesondere in schwierigen Zeiten bieten sich für beide Seiten Möglichkeiten zur Kooperation statt zur Konfrontation. Partnerschaftsmodelle zwischen Herstellern und Fachhändlern sind gefragter denn je.

Vorteile für beide Seiten

Die Vorteile der Zusammenarbeit liegen auf der Hand: Hersteller können durch die Bindung ausgewählter Partnerbetriebe die Verdrängung durch günstigere Produkte im Fachhandel verhindern und so ihren Umsatz mit qualitativ hochwertigen Produkten bei besonders lukrativen Fachhändlern sichern. Fachhändler können zum einen durch festlegte Abnahmemengen einen Bonus einstreichen, der ihre Marge sichert, und sich zum anderen durch die Unterstützung bei Marketingaktionen durch einen bekannten Hersteller als führender Fachhändler in der Region positionieren. Welche Hersteller diese Vorteile bereits erkannt haben, zeigt der folgende Überblick.

Welche Partnermodelle gibt es?

Der Bayreuther Kompressionshersteller Medi hat sein Kooperationsmodell bereits seit rund zehn Jahren im Markt erfolgreich etabliert. Medi versucht den Sanitätsfachhandel über die Zertifizierung als „medi compression center“ stärker an seine Marke zu binden. Um das Qualitätssiegel „medi compression center“ führen zu können, müssen Sanitätshauser einen von medi definierten Audit-Prozess im Bereich der Venen- und/oder Lymphtherapie durchlaufen. Dabei müssen die einzelnen Häuser nachweisen, dass sie besonders hohe Qualitätsansprüche und Serviceleistungen erfüllen. Durch jährliche Audits wird sichergestellt, dass auch in Zukunft das gewohnte Qualitätsniveau erhalten bleibt. Bei Bedarf unterstützt medi die teilnehmenden Fachhändler mit zusätzlichen Marketingkonzepten wie etwa einem Shop-in-Shop-System. Aktuell sind etwa zehn Prozent aller medi-Kunden (4.000 Kunden deutschlandweit) als „medi compression center“ zertifiziert.

Auch die Konkurrenz ist aktiv: Bauerfeind bietet interessierten Fachhändlern ein „Qualitäts-Programm“. Mit Erfolg – seit 2006 nehmen über 1.000 ausgewählte Fachhändler am Partnerprogramm des Hilfsmittelherstellers aus Zeulenroda teil. Um als Qualitätspartner gelistet zu werden, müssen Kriterien hinsichtlich Produkt, Beratung und Dienstleistung erfüllt werden. Zudem erhalten Qualitätspartner neben einem quantitativen Bonus auf den Jahresumsatz mit Bauerfeind-Produkten auch einen qualitativen Bonus für ihr Engagement im Partnerprogramm. Je umfänglicher der Qualitätspakt geschlossen wurde, umso höher fällt der jährliche Bonus aus. Neben dem Bonus erhalten Qualitätspartner exklusiven Zugang zu Marketingaktivitäten, besonderen Messtechniken, Sondereditionen von Produkten und Warenpräsentationssystemen.

Auch in anderen Hilfsmittelbereichen gibt es Beispiele dafür, wie Hersteller versuchen, über Partnerschaften den Fachhandel enger an sich zu binden. So bietet der Reha-Hilfsmittelhersteller Invacare über „InvaService“ zusätzliche Serviceleistungen (Wiederaufbereitungsservice) für Fachhändler an. Das Homecareunternehmen Fresenius Kabi geht einen anderen Weg und hat im Oktober 2013 mit sechs weiteren Gründungsmitgliedern aus Industrie und Dienstleistung den Verband für Versorgungsqualität Enterale Ernährung e.V. gegründet. Das Ziel des Verbandes liegt in der Bündelung von Kompetenzen von Homecareanbietern bzw. Kunden von enteraler Ernährung gegenüber den Krankenkassen. Langfristig sollen die Erstattungshöhen gesichert werden. Die Zahl der Mitgliedsunternehmen steigt stetig – aktuell sind 28 Unternehmen als Verbandsmitglieder gelistet.

Gibt es weitere Alternativen?

Da Erstattungspreise für Hilfsmittel in den kommenden Jahren weiter in den Fokus der Kostenträger rücken werden, müssen Hersteller nach möglichen Handlungsalternativen gegen dauerhaft sinkende Erstattungsbeträge suchen. Partnerschaftsmodelle stellen dabei eine Möglichkeit dar. Die politische Einflussnahme auf Kostenträger, sprich Lobbyarbeit wie sie seit Jahren in der Pharmabranche stattfindet, stellt eine weitere, wenn auch deutlich längerfristige, Alternative dar. Auf den Preisverfall der Kassen mit einem Billigprodukt zu reagieren, könnte letztlich als Fall-Back-Option bei Verhandlungen genutzt werden. Allerdings ist die Einführung eines Alternativprodukts mit einem hohen Aufwand verbunden (Produkteinführung). Zudem besteht das Risiko, dass die reduzierte Qualität direkt mit der Marke des Unternehmens verknüpft wird.